Der Held ist Tod – die Musik klingt lange nach
Plochingen:
Kammerorchester meistert
ambitioniertes Programm zu seinem 25. Geburtstag
Genau
genommen hätte der Jubeltag noch gar nicht begangen werden dürfen. Das
Premierenkonzert des Plochinger Kammerorchesters jährt sich nämlich erst am 15.
Oktober zum 25. Mal. Gefeiert hat das Ensemble trotzdem. Was ist schließlich
eine Woche in einem Vierteljahrhundert. Und seit seiner Gründung ist das
Orchester den Kinderschuhen längst entwachsen. Mit Bertram Schade steht der
vierte Dirigent am Pult – und in Plochingen und Umgebung ist das Kammerorchester
angesehen und anerkannt. Das bewies auch das rege Interesse am Jubiläumskonzert.
Zwar waren die hinteren Stuhlreihen in der Stadthalle leer geblieben – doch das
Publikum wurde mit Klassik vom feinsten verwöhnt.
Den Anfang machte das
Tripelkonzert in C-Dur für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester von
Ludwig van Beethoven. Unterstützt wurde das Kammerorchester vom Turina-Trio.
Dahinter verbergen sich mit der Pianistin Ursula Monter und der Cellistin Ulrike
Eickenbusch erfahrene Musiker. Letztere gewann 1998 den internationalen
Musikwettbewerb Carlo Soliva und spielte bereits in Saudi-Arabien. Komplettiert
wurde das Trio durch den Dirigenten des Kammerorchesters, Bertram Schade.
Dynamische Feinheiten arbeiteten die Solisten hervorragend heraus und wussten
gut miteinander zu harmonieren.
Genau hier lag nämlich das
Problem. Da der erste Leiter des Ensembles, Rolf Beuchert, der für Bertram
Schade beim ersten Stück als Dirigent eingesprungen war, hinter dem Klavier
stand, hatten die Solisten fast keinen Blickkontakt zum Dirigenten. Trotzdem
gelang es den erfahrenen Musikern beinahe perfekt, mit dem Orchester
zusammenzuspielen und zu harmonieren. So avancierte das Tripelkonzert zum ersten
Höhepunkt des Abends. Bei seiner ersten Aufführung 1808 in Wien hatte das Werk
keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Der Kritiker der Leipziger Allgemeinen
Musikalischen Zeitung kritisierte damals, das Stück sei „für Zuhörer, wir für
den Spieler, gleich ermüdend“. Das Kammerorchester bewies das Gegenteil.
Zauber geht aufs Publikum über
Beim Publikum stellte sich
auch nach der Pause keine Müdigkeit ein. Denn da wurde mit der Symphonie Antar
von Nikolaj Rimskij-Korsakov ein Werk aufgeführt, das eher selten in den
Konzertsälen auf dem Programm steht. Programmmusik quasi, mit Elementen aus
orientalischer Musik. Die Sinfonie erzählt die Geschichte des Kämpfers Antar,
der sich auf der Suche nach Ruhe in die Ruinen von Palmyra zurückzieht. Dort
rettet er die Feenkönigin vor einem Riesenvogel und diese verspricht dem Helden
die drei höchsten Genüsse: Rache, Macht und Liebe. Entrückt in der Umarmung der
Fee stirbt der Held am Ende unter den Klängen des Hauptmotivs, gespielt von den
Hörnern und Flöten. Auch hier überzeugte das Orchester durch sein dynamisch
feines Spiel. Die schwierigen und disharmonischen Passagen meisterte das
Ensemble routiniert und ließ den Zauber des Werkes auf das Publikum übergehen.
Mit
viel Applaus bedacht und nach einer Zugabe verabschiedete sich das
Kammerorchester nach knapp zwei Stunden Programm. Der Held Antar ist tot – die
Musik klingt noch lange nach. Bertram Schade und seine Musiker haben ein
ambitioniertes Programm routiniert und stark gemeistert und lassen hoffen – auf
die folgenden 25 Jahre Kammerorchester.
Esslinger Zeitung, 11. Oktober
2005, Tobias Dorfer